Bis in die Gegenwart nehmen soziale und politische Bewegungen in Ost- und Westdeutschland Bezug auf das Narrativ der Montagsdemonstrationen 1989/90 in der DDR. Die Demonstrierenden erhoffen sich eine stärkere Mobilisierung. Der Bezug bekräftigt außerdem die Aussicht auf einen Erfolg. Schließlich gelang es schon einmal, unter diesem „Label“ politische Veränderungen durchzusetzen. Damit im Zusammenhang steht die Beschwörung eines emotional verankerten „WIR“-Gefühls durch den Ruf „Wir sind das Volk“. Die historischen Ereignisse haben sich mittlerweile in idealisierter Form in unserem kollektiven Gedächtnis verankert. Es stellt sich die Frage, welche Demonstrationen und welches „Volk“ eigentlich gemeint sind? Ist letztendlich die „Konstruktion“ von Geschichte erforderlich, um für große soziale Gruppen identitätsstiftend wirken zu können?
Ziel dieser Präsentation ist es, den Blick auf die historischen Abläufe zu schärfen und Stationen einer Mythenbildung aufzuzeigen. Grundlage bildet der historische Kern in Leipzig mit den montäglichen Friedensgebeten seit 1982 und denen daraus entstandenen Demonstrationen weit vor dem Oktober 1989.